Predigt zu Exaudi 2020, Jer 31,31-34

23. May 2020

Verfasst von Pn Bettina Bartke

Wenn wir uns vorstellen, wie sich die Jünger an diesem Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten gefühlt haben müssen, dann befindet sich ihre Stimmung sicher irgendwo zwischen Hoffen und Bangen, Zweifel und Zuversicht. Wohl hatte Jesus ihnen in seinen Abschiedsreden den Heiligen Geist als Tröster versprochen, noch aber wissen sie die Geister nicht zu unterscheiden und befinden sich im Wartestand.

Diese Spannung des schon verheißenen aber noch nicht angekommenen Geistes kommt auch in dem Predigttext des heutigen Sonntags zum Ausdruck

So lesen wir bei Jeremia im 31.Kapitel:

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Auch hier kündigt Gott durch den Propheten an, dass er einen Bund mit den Menschen schließen wird, der unauflöslich ist, weil er sich mit ihnen bis ins Herz hinein verbinden wird.

Gott und sein Volk, so die Vision, werden zusammenfinden. Keiner wird den anderen lehren, sondern Gottes Wille wird geschehen, ohne Kompromisse eingehen oder abwägen zu müssen.

Eltern, deren Liebe ihre Kinder anvertraut werden, haben eine ähnliche Hoffnung.

Denn auch sie wünschen sich, dass ihre Töchter und Söhne ihre Vorgaben nicht nur adaptieren, sondern geradezu internalisieren, so dass sich die ethische Autonomie der Kinder eines Tages von den Wertevorstellungen der Eltern ganz von selber deckt.

Weil das aber nie ganz aufgeht, weder zwischen Eltern und Kindern noch zwischen Gott und uns, lässt dieser einen völlig neuen Bund ankündigen.

Für unser Zusammenleben hier und jetzt aber sind wir auf Verträge angewiesen.

Die Zusammenschlüsse, die das Leben untereinander regeln. Wir leben in einer Bundesrepublik, sprechen von der Ehe als dem Bund des Lebens und schließen mannigfache Verträge ab, für die wir Beiträge zahlen, um nicht der Willkür anderer ausgesetzt zu sein und um uns abzusichern, wenn wir scheitern. Und das gibt uns Sicherheit. Unser Dienstvertrag regelt unsere Arbeit, unser Mietvertrag schützt uns vor willkürlicher Kündigung, die Kosten unseres Handyvertrags sichern uns bestimmte Leistungen, der Vertrag mit der Krankenkasse gibt uns die Gewissheit, im Krankheitsfall versorgt zu sein. Ein Ehevertrag kann im Krisenfall Klarheit herbeiführen und eine Haftpflichtversicherung springt für uns ein, wenn wir Schaden bei anderen angerichtet haben.

Bei einem Vertrag gehen beide Seiten Verpflichtungen ein, und das wird schriftlich festgehalten.

Im Altern Israel haben die Menschen ihr Zusammenleben in ähnlicher Weise geregelt. Nicht schriftlich, und doch durch ungeschriebene Regeln innerhalb der Familienhierarchien und vor allem auch für das Verhältnis zwischen Mensch und Gott. Erinnern wir uns an die Geschichten vom Bund Gottes mit Noah, die Versprechen Gottes an Abraham, und vor allem an Mose, wenn Gott sagt: ich führe euch aus Ägypten heraus, und ihr haltet euch an meine Gebote.

Doch der Mensch ist nicht perfekt. Immer wieder erwischt er sich selbst dabei, so schreibt es auch der Apostel Paulus, dass er das tut, was er gar nicht will. Schon im Alten Testament machen die Menschen die Erfahrung, kein ebenbürtiger Bündnispartner Gottes sein zu können. Doch immer wieder erneuert Gott seinen Bund, und immer wieder müssen die Propheten mit Strafen Gottes drohen und Unheil ankündigen.

In unserem Text allerdings soll Jeremia eine Ausnahme machen. Anstatt düstere Stimmung zu verbreiten, soll er das Volk trösten. Er soll im Namen Gottes ein Versprechen geben, das direkt ins Herz trifft.

Wenn wir davon sprechen, dass wir jemandem etwas an’s Herz legen, dann verbinden auch wir einen anderen Wunsch damit als eine sachliche Belehrung, die sich mit allen rechtlichen Konsequenzen dem Verstand erschließt.

Und wenn wir selber etwas beherzigen, dann entspringt unser Verhalten auch eher einer inneren Intuition, etwas, was sich einfach aus tiefstem Bedürfnis heraus ergibt.

Und das möchte Gott durch sein einseitiges Versprechen jetzt im Menschen bewirken.

Er möchte, dass seine Werte unser Leben bestimmen, nicht, indem wir uns krampfhaft an Regeln halten, sondern indem sie sich unter uns ergeben.

Dazu möchte er sich Raum in unseren Herzen zu schaffen, indem er sie freimacht von aller Ungerechtigkeit und Schuld.

Für uns Christen hat er uns das bewiesen, indem er auch nach dem Kreuzestod Jesu zu den Menschen auf Golgatha stand und ihnen das, von dem sie nicht wussten, was sie tun, vergeben hat. In Jesus Christus hat er uns bewiesen, dass er die Garantie für ein gutes Ende für beide Seiten ganz alleine übernommen hat. Vereinbarungen für die Strafe bei Scheitern sind seitdem obsolet, weil das Scheitern für Gott nicht mehr existent ist.

Während wir wohl vergeben, niemals aber vergessen können, für Gott ist das möglich.

„ Groß ist des Vaters Huld, er tilgt unsere Schuld, wir warn all verdorben durch Sünd und Eitelkeit; da hat er uns erworben die ewig Himmelsfreud,“ so bekräftigen wir Weihnachten diese gute Botschaft jedes Jahr wieder.

Schon zu Anfang der Schöpfung ruft Gott die Welt aus dem Nichts. Und wenn er etwas aus dem Weg räumt, dann so, dass es ebenfalls nicht mehr ist und auch nicht hervorgekramt und gegen uns verwendet werden und uns nie wieder beschämen kann.

„Vergiss nicht zu dankendem ewigen Herrn „ so ein Lied aus den 70gern, er hat dir viel Gutes getan… er warf unsere Sünden ins äußerste Meer, kommt betet den Ewigen an

Der neue Bund, das Neue Testament ist ein einseitiger Bund, der die Vergebung Gottes voraussetzt und der deshalb selbst dann nicht zu Bruch gehen kann, wenn wir vertragsbrüchig geworden sind.

Wir hören dieses Evangelium, diese frohe Botschaft, wie einen Schatz, bewahren ihn allerdings in irdenen Gefäßen, so beschreibt der Apostel Paulus unsere Schwachheit, eben weil wir noch nicht vollkommen sind.

Ab und zu aber blitzt die Kostbarkeit dieses Schatzes dann doch in uns auf: Dann, wenn wir uns frei fühlen, das zu tun, was dem anderen dient. Dann, wenn wir uns so frei fühlen, nichts mehr nachtragen, den anderen nicht mehr beschämen zu müssen, sondern einander anzunehmen, wie Christus uns angenommen hat.

Die Jünger damals befanden sich zwischen Himmelfahrt und Pfingsten im Wartestand. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als Gott darum zu bitten, sein Versprechen wahrzumachen und den Geist als Tröster zu ihnen zu schicken.

Als die ersten Christen nach Pfingsten dann feststellten, dass die Verwirklichung des Reiches Gottes trotz der Ausgießung des Heiligen Geistes dennoch weiterhin auf sich warten ließ, mussten auch sie- genauso wie wir- mit dieser Ambivalenz leben lernen: mit dem Vertrauen darauf, dass Gottes Bund mit uns auf seiner Seite feste steht, so wie er es uns in der Taufe verspricht, und der Erfahrung Gott, dass wir den Bund aber dennoch immer wieder überschreiten.

Auch uns bleibt deshalb nur die Bitte: o komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein, verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein. Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und Lippen an, dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.


Amen


Weitere Artikel

Predigt zu Christi Himmelfahrt 2020 (21.05.2020)

Pape Michael, 20. May 2020

Verfasst von Bettina Bartke,Pn

Himmelfahrtsgottesdienste werden in den meisten Gemeinden seit Jahren traditionell unter freiem Himmel gefeiert. Aber auch andere open Air Gottesdienste...

Rogate 2020, Joh 16

Pape Michael, 15. May 2020

Beten ist eine Grundgeste jeden Glaubens.

Es ist die Pflege der Beziehung zu Gott als einem persönlichen und doch transzendenten Vater, dem wir uns zuwenden.

Meistens nehmen wir...

Andacht für Sonntag Kantate (05.05.2020)

Pape Michael, 8. May 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Der Anfangsvers des diesem Sonntag zugeordneten Psalms gibt den Ton an, auf den dieser Sonntag gestimmt sein soll: Kantate: „singet dem Herrn ein neues...

Andacht zu Jubilate, Joh 15,1-8 (03.05.2020)

Pape Michael, 30. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Wenn wir uns auf privaten Sendern einen Film oder eine Unterhaltungsshow ansehen, dann wird das Programm durch viele Werbeblöcke unterbrochen. Damit...

Andacht zum 2. Sonntag nach Ostern Misericordias domini (23.04.2020)

Pape Michael, 24. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke

Jeder von uns kennt den 23. Psalm. Das Gebet von Gott, der uns wie ein guter Hirte auf einer grünen Aue weidet, zum frischen Wasser und durchs finstere...

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Hier erfahren Sie alles zum Datenschutz