Andacht zu Karfreitag (09.04.2020)

10. April 2020

Von Pastorin Bettina Bartke

Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden (Ps 90,12)

Als das Kreuz mit Jesus auf Golgatha aufgerichtet ist, verlosen die Soldaten seine Kleider. Menschen, so will der Evangelist Johannes damit sagen, machen einfach das weiter, was sie immer machen. Sie sorgen sich um ihr Ansehen, sie demonstrieren ihre Macht und versuchen das Beste für sich herauszuschlagen.

Die Menschen auf Golgatha sind nah dran, schauen aber nicht hin.

Das war auch zu Beginn der Corona Pandemie unter uns ähnlich. Selbst nachdem bekannt geworden war, dass alle Versammlungsstätten schließen müssen und soziale Kontakte zu meiden sind, machten manche weiter, wie immer.

Die vielen Bilder des hochansteckenden Virus, überforderter Ärzte und nach Atem ringender Menschen, haben nicht bei allen den Ernst der Lage verdeutlichen können.

Gut, dass das Kreuz auf Golgatha vor den Toren Jerusalems steht, so müssen die Menschen zur Zeit Jesu gedacht haben. Dann können auch wir den Tod durch die Illusion, alles im Griff zu haben, weiterhin aus unserem Leben verdrängen.

Auch uns geht es so. Auch wir haben den Wunsch, die todbringende Krankheit endlich außen vorlassen und zur Normalität zurückkehren, das zu machen zu dürfen, was wir immer machen.

Auch wir können den Gedanken an das Leid nicht gut aushalten, und fliehen der Auseinandersetzung mit der Verletzbarkeit und Verführbarkeit menschlicher Existenz. Die Bibel kennt einige solcher Fluchtversuche: Jona, der vor einem schwierigen Auftrag Gottes davonläuft, oder Petrus, der Jesus verleugnet. Letztlich aber bleibt ihnen die Auseinandersetzung mit dem Bösen nicht erspart.

Für uns ist Karfreitag der Tag, der uns mit dem Blick auf Jesus Christus bewusst daran erinnert, dass es unklug ist, Leid und Tod vor die Tore unseres Blickfeldes zu verbannen.

Für uns ist Karfreitag der Tag, an dem wir- in der Tradition durch Fasten - bewusst darauf verzichten, zur Normalität zurückzukehren.

Für uns ist Karfreitag der Tag, der uns damit konfrontiert, dass wir nicht nur in der Krise, sondern mitten im Leben immer mit dem Tod umfangen sind, so wie es Martin Luther formuliert.

Denn während die Soldaten dem Anblick des Sterbenden ausweichen und lieber seine Kleider verlosen, lehrt uns der Blick auf das Kreuz, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Beten und solidarisches Handeln, zu denen in allen Medien aufgerufen wird, sind unverzichtbar, ebenso wichtig aber ist die Deutung der Situation und ihre ethische Konsequenz.

Was bedeutet es für unseren nach der Krise normalen Alltag, wenn wir jetzt mehr denn je bedenken, dass wir sterben müssen, und zwar zu einem Zeitpunkt, den wir uns nicht selber aussuchen können?

Werden wir uns an die Fähigkeit, Moral und Kooperation über Wettbewerb und Konkurrenz stellen zu können, erinnern? Werden wir stolz und dankbar sein und diese weiter ausbauen?

Welche Konsequenzen werden wir ziehen in Bezug auf Krankenhäuser und Gewinnmaximierung, Fleischkonsum und Tierzucht mit weiteren Seuchen? Werden wir wieder verdrängen, auf welche Art und Weise wir Umwelt verschmutzen und das Klima erwärmen, auf dass unser Konsum- und Reiseverhalten neben Menschen auch solchen Tierarten den Tod bringt, die uns als Zwischenwirte für vermeintliche weitere Viren ihren Dienst erweisen könnten?

Werden die Parteien wieder neu loslegen mit ihren Streitigkeiten über Mindestlöhnen für Berufe, die sich jetzt als unverzichtbar erweisen?

Der Apostel Paulus, ein von sich ehemals überzeugter aggressiver und arroganter Verfolger der Christen, ist durch die Krise, die er persönlich durchleben musste, jedenfalls ein anderer geworden. Fortan fühlte er sich nicht mehr der Quantität seines Erfolges durch die Anzahl der Gefesselten verpflichtet, als allein der Wahrheit des Evangeliums.

Seine neue Lebensklugheit heißt: in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst.

Paulus hat erkannt, wie wertvoll und einmalig das Leben eines jeden einzelnen ist und dass das Leben zu jeder Zeit vom Tod umfangen ist

Durch Gottes Solidarität zu dem sterbenden Jesus auf Golgatha aber hat er ebenso darauf vertraut, auch im Tod vom Leben umfangen zu sein.

Schauen wir heute auf das Kreuz und lassen wir von ihm unsere Gewohnheiten, nach denen wir uns sehnen, infrage stellen.

So finden wir durch Beten aber auch Denken, einen hoffentlich guten Weg in ein neues Leben.

Hier in Zeit und Raum und dort in der Ewigkeit. Amen



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