Andacht zum 1.Sonntag nach Ostern 2020 1.Petrus 1,3-9 und EG 376 (17.04.2020)

17. April 2020

Verfasst von Pastorin Bettina Bartke,

Quasimodogeniti – wie die neugeborenen Kinder-so heißt der vor uns liegende erste Sonntag nach Ostern. Doch dass unser diesjähriges Gefühl durch diese Überschrift widergespiegelt wird, ist zu bezweifeln. Normalerweise fühlen wir uns doch erst dann wie neugeboren, wenn eine Krankheit überstanden oder eine tödliche Gefahr gebannt ist.

Wir aber werden noch auf unbestimmt Zeit mit der Existenz des hochansteckenden Virus leben müssen. Aus diesem Grunde werden wir auch weiterhin von Angst, Anfechtung und Zweifel an dem gütigen Gott begleitet werden.

In eine anders bedrückende und doch ebenfalls schwere Zeit spricht der Verfasser des 1.Petrus-briefes folgende Worte:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereitet ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit. Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus. Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.(1.P 1,3-9)

Der Verfasser dieses Briefes, der sich mit Petrus identifiziert, will nach der Zerstörung des Tempels im 1.Jhd nach Christus dazu beitragen, dass sich die Konfession der zerstreut lebenden Christen durch die Sammlung mündlicher und schriftlicher Traditionen konsolidieren kann. Die Christen sollen wissen, was ihre Gemeinschaft ausmacht, an was sie sich im wahrsten Sinne des Wortes halten können und zwar trotz Anfechtung und Traurigkeit.

Auch wir haben seit Wochen das Gefühl, nicht so richtig zu Hause, sondern in einen fremdartigen Zustand verschleppt zu sein und wünschen uns die Heimkehr in unseren gewohnten Alltag. Wir sehnen uns danach, dass wir mit guten Menschen diese schlimmen Zeiten überstehen. Wir sehnen uns aber auch nach spiritueller Gewissheit, dass alles gut werden wird und dass gute Menschen jetzt weiterhin gute Konsequenzen ziehen.

Wenn wir jedoch zu denen gehören, die das momentan nicht können, entweder weil wir älter sind, weil wir zur Risikogruppe gehören, oder aber gelähmt sind von Zweifel, dann ist es gut von der guten Botschaft der Bibel zu hören, dem Evangelium, unabhängig von unserer Verfassung und ohne dass wir sie uns selber ausdenken müssen.

Nicht umsonst singen wir: „ es ist das Heil uns kommen her, von Gnad und lauter Güte.“

Der Grund für dieses Heil liegt für unseren biblischen Autor in der Auferstehung Jesu Christi, an der auch wir-wie an einem Erbe-Anteil haben werden, allein weil seine Macht diese ausstehende Seligkeit für uns vorhält. In der Bibel wird dieses unverdient Gute mit Gnade beschrieben, mit Barmherzigkeit oder auch Erbarmen Gottes, das so groß ist, dass er dabei in Kauf nimmt, selber in Mitleidenschaft gezogen zu werden. An Karfreitag ist das geschehen, und bis heute geht er mit uns bis in den letzten dunklen Winkel unserer brüchigen und abgründigen und verletzbaren Existenz. Auch dann, wenn wir nichts fühlen von seiner Macht. Denn, so besingt es Julie Hausmann: „Du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht“. Ja, es gibt dieses finstere Tal, stecken aber bleiben wir in ihm nicht. Denken wir an Jesus, für den die eigene Anfechtung letztlich auch zu einer nur kleinen Zeit hat werden dürfen, oder an seine Verzweiflung in der Nacht in Gethsemane und letztlich seine Stunden am Kreuz. Dann aber lässt er alles Zeitliche hinter sich, weil Gott die Kraft hat, aus diesem Nullpunkt der Schöpfung heraus neues Leben in Herrlichkeit und Ewigkeit zu schaffen, auf dass für die, die dem Auferstandenen begegnen, eine Hoffnung wider den Augenschein zum Leben erweckt wird. So auch bei Petrus, damals, als er vor Tränen über sein Versagen keine Zukunft mehr sah, und als er dann doch nach Ostern vom Vertrauen, das Jesus ihm entgegenbrachte, ganz neu berührt werden durfte. Und so ist es kein Zufall, dass sich unser Verfasser bewusst mit diesem Versager identifiziert. Auch er weiß, dass der Himmel, der uns versprochen ist, nichts mit dem Himmel von Selbstdarstellung und Selbstoptimierung zu tun hat, nicht mit Profit und höher und schneller und schöner und weiter und jünger, sondern mit einem integren Leben, in dem auch Menschen jenseits von Erfolg und Gesundheit erfahren dürfen, dass es gut ist, dass es sie gibt.

Auch er weiß, dass mit der Wiedergeburt kein konkretes Bekehrungserlebnis gemeint ist, sondern Gottes erbarmendes Handeln in Christus und zwar unabhängig von unserer Macht. Denn: „mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren. Es streit für uns der rechte Mann, denn Gott hat selbst erkoren, Fragst du, wer der ist, der heißt Jesus Christ, das Feld muss er behalten.“

Gerade in Zeiten der traurigen Anfechtung, dann, wenn auch wir ihn nicht sehen, weil auch uns die Traurigkeit in diesen Zeiten den Blick versperrt, dürfen wir ihm das Feld überlassen.

Auch Julie Hausmann ergibt sich ihrer Ohnmacht nicht und hält in ihrem bekannten Lied an Gottes Versprechen fest, wenn sie formuliert: “Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich“

Am Ende unseres Textes ist von der Seelen Seligkeit die Rede, mit der Gott uns dann beerben wird, wenn die unaufhörliche Abfolge von Ereignissen mit der Schuld, die wir nicht ungeschehen machen können, und damit das, was wir Zeit nennen, ihre Zeit gehabt haben werden. Zwar sollen seine Adressaten und damit auch wir, nicht auf das Leben jenseits des Todes vertröstet, oder die jetzigen Probleme klein geredet werden, und doch kann die Hoffnung auf dieses letzte Ziel die Kraft geben, hier und jetzt aufrecht gehen zu können und hier und jetzt nicht fallen zu müssen. Nicht zuletzt indem auch wir miteinander gnädig sind und unserem Versprechen „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ die Treue zu halten versuchen.

Ein Theologe hat mal in diesem Sinne gesagt: „Das Jenseits ist die Kraft des Diesseits“.

Auch die viel zitierte „Auferstehung mitten am Tag“ schöpft allein aus dieser Perspektive ihre Energie, um dem Traurigen und Dunklen und der Angst und der Sorge nicht die Dominanz zuzugestehen, die diese zu beanspruchen suchen.

Durch die Erfahrung, dass wir alle im selben Boot sitzen und erleben dürfen, wie Menschen gut miteinander sein können und guten Mutes einander anstiften zur Hoffnung, dürfen auch wir uns -trotz dieser schweren Zeit-neue und gute Perspektiven eröffnen lassen: Den Blick wie in einen schon offenen Himmel, indem wir schätzen lernen, wie wertvoll und wichtig jeder einzelne ist: Berufstätige, die schon vor der Krise mit ihrer Tätigkeit als Verkäuferin oder Altenpflegerin zufrieden und erfüllt waren, Menschen, die ihren Heimatort lieben und wegen der älteren Generation bewusst hier bleiben, Bürger, die die ortsansässigen Geschäfte bewusst unterstützen, Männer und Frauen, denen soziale Stabilität und geographische Verwurzelung wichtig sind und Eltern, die ihre Kinder nicht zum eigenen Erfolgsprojekt machen, selbst wenn sie von der Mehrheit bisher als langweilige oder gar tragische Existenz ohne individuelles Entwicklungspotential belächelt wurden.

Obwohl wir uns momentan nicht erfrischt und wie die neugeborenen Kindlein fühlen, dürfen wir die von unserer Befindlichkeit unabhängige Heilstat Gottes als „ gute Wehr und Waffen“ gegen die Traurigkeit unseres momentan tristen Alltags doch besingen. Nicht als Verdienst für unseren Glauben, sondern, damit sie einen Kern Lebendigkeit in uns bewahrt, der sicher auch in uns immer wieder geboren werden und in unser Leben gerufen werden kann.

Singen wir gegen den Augenschein: “In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz, und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz, Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.“

Amen


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