Weihnachten, Ostern und Pfingsten an einem Tag (31.03.2020)

31. March 2020

Gedanken von Pastorin Bettina Bartke

„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch…Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! (Joh 20,19.21.22)

Am ersten Tag der Woche, so beginnt dieser Bericht des Evangelisten Johannes, für den Ostern und Pfingsten auf ein und denselben Tag fallen.

Für die Jünger ist es der Beginn der ersten Woche ohne Jesus. Alle sitzen zusammen hinter verschlossenen Türen, abgeriegelt von der Welt, gefangen in ihrer Angst.

Vielen von uns geht es ähnlich: isoliert, voller Sorge und in ständiger Erwartung auf ein Hoffnungszeichen.

Und die Jünger sind angespannt. All die guten gemeinsamen Jahre, die ihnen bis dahin unverdient geschenkt wurden, zählen nicht, und all die Verheißungen Jesu auf ein gutes Ende sind wie weggeblasen.

Jetzt sitzen sie zusammen und teilen ihr Entsetzen, ihre Ohnmacht vor Leid und Tod, ohne ein Ende absehen zu können, ohne zu wissen, wie es weitergehen soll.

Wir können dem nachspüren: auch unsere Türen sind zu, auch uns fehlen Wochenrhythmus und der ganz große Zusammenhang unseres Wirkens. Vieles, was für uns bisher sinnvoll war, ist uns genommen.

Den Jüngern geht es ähnlich. Denn der, der ihrem Alltag Struktur verschafft hat, ist nicht mehr. Auch ihr Lebenszusammenhang ist jetzt porös.

Auch für uns haben sich sowohl soziale als auch berufliche Zusammenhänge aufgelöst, die lange Selbstverständlichkeit für sich beanspruchten. Damit stehen auch wir vor der Aufgabe, neue Zusammenhängen für uns zu schaffen, in deren Rahmen sich das momentane Leben einrichten lässt, um so für sich selbst einen sinnvollen Alltag in dieser offenbar sinnlosen Krise zu erleben.

Der von Karl Valentin bekannte Satz: „Morgen gehe ich mich besuchen. Hoffentlich bin ich zu Hause!“ kann uns dabei ebenso eine gedankliche Hilfe sein wie die Aufforderung des Mystikers Bernhard von Clairvaux: „Du musst nicht über Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und musst nicht die Alpen überqueren. Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit. Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen."

Den nach Jesu Tod im Haus verschanzten Jüngern darf sich dieser Weg eröffnen: So wie Gott am ersten Tag der Schöpfung das Licht geschaffen und damit Leben möglich gemacht hat, so beginnt auch das Leben für die Jünger an diesem ersten Tag der Woche auf unglaubliche Weise noch einmal ganz neu.

Denn Jesus tritt in ihre Mitte: hinein in die Angst und Leere, die sich lähmend ausgebreitet hat. Und er füllt sie mit dem Satz, den er immer gesagt hat:„ Friede sei mit euch!“.

Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!

In der christlichen Mystik gibt es die Vorstellung, dass der Mensch sein Leben dem Kuss Gottes verdankt, als er ihm den Atem des Lebens eingehaucht hat. Atem und Geist aber sind in der Bibel dasselbe Wort. Auch wir sind bei unserer Taufe von Gott persönlich inspiriert, d.h. beatmet und mit seinem Geist erfüllt worden. Auch an uns hat Gott bewiesen, dass er die Bitte Jesu erfüllt, wenn der sagt: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war (Joh17)

Während uns das letzte Jahr als „Jahr der Freiräume“ durch unsere Landeskirche mehr Gelegenheit einräumen wollte, uns als Kirche ganz neu zu unserem eigentlichen Auftrag ins Verhältnis zu setzen, wird uns die freie Zeit dafür jetzt ungewollt aufgezwungen. Doch anstatt -wie die Jünger paralysiert auf die Katastrophe zu starren- können wir die Zeit nutzen, uns neu daran erinnern zu lassen, dass Jesus auch in uns Zuhause sein will. Denn auch uns gilt die Zusage: „Friede sei mit euch“, und: „in der Welt habt ihr Angst- ja, das ist so, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“

Er hätte auch sagen können: „Ich werde das Paradies wiederherstellen.“

An Weihnachten spenden uns die Äpfel und Kugeln am Baum diese fröhliche Hoffnung. Jetzt sind wir herausgefordert, geduldig in Trübsal zu sein, und beharrlich im Gebet: In der Zwiesprache mit dem, der gesagt hat: „ich bin das Licht der Welt, und wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. “Für die Jünger hat sich nach Zeiten der Isolation und Trauer auf dem Weg nach Emmaus durch Jesu Begleitung eine neue Perspektive entwickeln dürfen. Wir dürfen darauf hoffen, dass uns Jesus im Wort der Bibel begegnet. Warten auch wir darauf in Geduld.




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